Mark Schieritz und Patrick Bernau liefern sich einen interessante Debatte zum Thema Sanierung der Staatshaushalte. Es geht um die Frage, was besser ist: Steuern anheben oder Ausgaben kürzen. Patrick Bernau meint, Ausgabenkürzungen seien der einzige Weg um die Staatshaushalte dauerhaft in Ordnung zu bringen. Steuererhöhungen hingegen würden Wachstum und Arbeitsplätze kosten. Mark Schieritz hält dagegen. Er argumentiert, dass es aus ökonomischer Sicht egal ist, an welcher der beiden Schrauben man dreht. Das ganze sei eine Wertfrage.
Ich möchte einen Punkt ergänzen, der aus meiner Sicht dabei noch eine wichtige Rolle spielt. Die skandinavischen Länder zeigen, dass es möglich ist, hohe Steuern mit hohem Wirtschaftswachstum und soliden Haushalten zu vereinbaren. Allerdings bedienen sie sich dabei eines Tricks. Was steckt dahinter?
Ein wirtschaftlich besonders effizientes Steuersystem. Ökonomen haben hierfür ein paar Daumenregeln parat – und es gibt kaum Länder, die diese Prinzipien so ernst nehmen wie Norwegen, Dänemark, Finnland und Schweden.
Eine davon lautet, möglichst solche Güter hoch zu besteuern, bei denen die nachgefragte Menge wenig auf Preisänderungen reagiert. Sprich: Hohe Steuersätze auf Suchtgüter wie zum Beispiel Alkohol und Zigaretten. Dahinter steht die Idee, dass die höhere Steuer das Kaufverhalten kaum beeinflusst und deshalb für wenig Verzerrungen sorgt. Wer von Zigaretten abhängig ist, wird auch bei höheren Steuersätzen nicht auf das Rauchen verzichten. Nirgendwo langt der Staat bei Alkohol und Zigaretten so kräftig zu wie in Schweden und Norwegen.
Andersrum besteuern die nordischen Länder mobile Faktoren wie Kapital niedrig. Durch ihr duales Steuersystem unterscheiden die Schweden bei der steuerlichen Belastung zwischen Unternehmen und Privatpersonen. Auch hier lassen sie sich vor allem von der ökonomischen Logik leiten: Der mobile Faktor Kapital wird niedrig besteuert, denn bei hohen Steuersätzen könnten die Unternehmen ihr Kapital relativ leicht in ein anderes Land verschieben. Diese Möglichkeit haben die Arbeitnehmer nicht. Die harte Konsequenz für sie ist, dass ihre Einkommen höher besteuert werden.
Außerdem zeichnen sich Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland durch hohe Mehrwertsteuersätze aus. Sie liegen mit ihren Sätzen europaweit an der Spitze. Auch dies ist aus rein ökonomischer Sicht effektiv. Die Mehrwertsteuer führt zu wenig Verzerrungen, weil alle Güter gleichmäßig besteuert werden. Sie zeichnet sich außerdem durch sehr niedrige Erhebungskosten aus und es gibt wenige Möglichkeiten, sie zu hinterziehen.
Das erstaunliche am skandinavischen Modell ist, dass es den Widerspruch zwischen einem wirtschaftlich effizienten Steuersystem und sozialer Gerechtigkeit irgendwie löst. Eine hohe Mehrwertsteuer belastet vor allem niedrige Einkommen – gleiches gilt für hohe Steuern auf Zigaretten und Alkohol. Dennoch ist die Einkommensungleichheit in den skandinavischen Ländern besonders niedrig. Dies könnte daran liegen, dass Staatsausgaben bei armen Bevölkerungsschichten für einen besonders hohen positiven Multiplikatoreffekt sorgen. Will heißen: Reiche Familien können ihren Kindern auch ohne Staat eine gute Schulausbildung bezahlen – arme Familien nicht.
Das Beispiel der skandinavischen Länder zeigt: Länder mit hohen Staatsausgaben können wachsen und solide Haushalte vorlegen. Der Preis dafür ist ein wirtschaftlich effizientes aber zum Teil ungerechtes Steuersystem. Die Steuererhöhungen in den angeschlagenen Euro-Ländern gehen in diese Richtung. Griechenland, Italien, Portugal und Irland haben vor allem die Mehrwertsteuer erhöht. Außerdem haben sie neue Steuern eingeführt, die möglichst wenig wirtschaftlichen Schaden anrichten, wie zum Beispiel eine Vermögensteuer auf Immobilien in Griechenland.